Auf Zeitreise in Tscherms
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Auf Zeitreise in Tscherms

Hoch über Tscherms thront eines der größten Schlösser Südtirols. Hausherrin Anouschka van Rossem führt durch ihr Castel Lebenberg und erzählt von Kellern, in die man aufwärts geht, Schlossbesitzern und der Fitness vom Holztragen.

„In so einem Schloss lernt man, nicht zimperlich zu sein“, lächelt Anouschka van Rossem van Sinoutskerke und wirft einen kleinen Steinbrocken über die Mauer, die den Schlossgarten umschließt. Bereits als kleines Kind sprang die Tochter eines Holländers und einer Deutschen über diese Schlossmauern. Nun ist sie selbst die Herrin eines der größten Schlösser Südtirols. Schloss Lebenberg thront auf 505 Metern hoch über Tscherms und ist mittlerweile seit fast 100 Jahren im Besitz ihrer Familie. Mit seinem erdfarbenen Gemäuer hebt sich der stattliche Bau deutlich vom Grün der Weinberge ab und dem Besucher sticht bereits aus der Ferne der 24 Meter hohe Bergfried ins Auge. Vor dem behäbigen Turm reihen sich zahlreiche Gebäude wie ein kleines Puzzle aneinander.

„Das Schloss hatte viele Besitzer, von den Herren von Marling über die Familie Fuchs, bis es schließlich in unsere Hände kam. Und es wurde immer und immer wieder erweitert“, erklärt mir Anouschka van Rossem, während sie die große Türklinke aus Gusseisen hinunterdrückt und die Tür zum Innenhof öffnet. Die Führung beginnt.

Castel Lebenberg
Castel Lebenberg
Castel Lebenberg gilt als eines der schönsten Schlösser im Burggrafenamt, erbaut im 13. Jh. von den Herren von Marling. Sehr ausgedehnte Burganlage mit ...
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Ein Schloss als Abhärtung
Vom ersten Innenhof geht es in die Kapelle aus dem 14. Jahrhundert, die mit ihrem hölzernen Schindeldach inmitten der ganzen Gebäude hervorsticht. Anouschka van Rossem liebt sie besonders wegen ihrer herrlichen Akustik. Doch auch die kürzlich entdeckten mittelalterlichen Malereien an der Nordwand machen die Kapelle zu einem Kleinod. Kalt ist es im Kirchlein – wie denn die Temperaturen im Schloss seien, frage ich. Die Schlossherrin lacht: „Nein, eine Heizung gibt es im Schloss nicht. Wir behelfen uns im Winter mit Gas- und Kachelöfen, in den Gängen bleibt es aber immer kalt. Doch das härtet nur ab, was eine Grippe ist, weiß ich gar nicht.“ Das Holz für die Öfen muss aber erst in die Wohnräume geschleppt werden. „Fitnessstudio brauche ich gewiss auch keines, dafür habe ich mein Schloss“, fährt van Rossem fort und lacht erneut. Zu den Gemächern ihrer Familie sind es vom Innenhof nämlich ganze 104 Stufen. Wenn man vom Garten nach oben blickt, sieht man zwei romanische Rundbogenfenster.

„Da oben wohnen wir“, sagt die Schlossherrin und zeigt mit ihren feingliedrigen Händen fast schon in Richtung Himmel. Während sich ihr Blick nach oben richtet, bemerkt sie einen Vogel, der vom Bergfried immer wieder um den Palas kreist, und erklärt: „Da oben sehen Sie unsere Haustiere. Die Falken leben hier im Turm.“
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Über ein paar Steintreppen geht es, der alten Burgmauer entlang, in den nächsten Innenhof. Hier nehme ich erst wirklich wahr, wie sich die zahlreichen Zubauten über die Jahrhunderte trotz ihrer unterschiedlichen Stilrichtungen zu einer großen Einheit zusammengefügt haben. Durch die Waffensammlung geht es ein paar Treppen empor, vorbei an einem besonderen Lebensbaum. Alle Besitzer des Schlosses sind zusammen mit ihren Wappen der Treppenwand entlang kunstvoll verewigt. Ganz oben fängt der Baum 1216 mit Konrad von Marling an, die letzte Verästelung am Ende der Treppe trägt den Namen von Cornelis Jan van Rossem van Sinoutskerke, dem Vater der Schlossherrin.

Am Ende der Treppe betreten wir das Schloss. Die Räume sind noch vollständig eingerichtet und zeigen stilgetreu, wie man früher lebte. Durch den ersten Raum, das sogenannte Bauernzimmer, gelangt man in eine alte Stube mit einem der ersten Klappbetten aus Holz, einem Kamin und Truhen aus Gotik und Renaissance. Die alten Dielen ächzen unter den Tritten der Schlossherrin, wenn sie in das nächste Zimmer, den herrschaftlichen Spiegelsaal, führt. Der Schritt über eine einzige Türschwelle kommt in Lebenberg dem Beginn einer Zeitreise gleich. Prunkvolle Möbel, kunstvoll gemusterte Tapeten, orientalische Teppiche und große Lüster versetzen den Besucher an den Beginn der Rokoko-Zeit. Unter einer Stuckdecke geht es weiter bis zur nächsten Tür, die sich zum Rittersaal mit seinen schweren, dunklen Holzmöbeln öffnet. Aus dem Fenster blickt man von hier aus bis zur Lagorai-Gruppe. "Schwarzhorn, Weißhorn und Weißenstein sehe ich von hier", zählt die Schlossherrin auf und begleitet mich weiter in das Empirezimmer gleich nebenan. Hier ist es eindeutig wärmer. Der Raum, der im Palas liegt, ist zusammen mit anderen Räumlichkeiten von den ersten Stockwerken in den Fels gebaut. "Nur dadurch war es möglich, so hoch zu bauen. Wir haben Keller, da geht man aufwärts anstatt abwärts", erklärt die Schlossherrin.

Letzte Station ist der französische Rokoko-Garten- der akkurat gepflegt am Fuße des Schlosses liegt. Zwischen Garten und Stadel steht ein großer Maulbeerbaum. "Der ist über 200 Jahre alt", sagt Anouschka van Rossem stolz, während sie über die moosige Rinde des Baumes streicht. Abends, wenn die Sonne untergeht und man von unten aufs Schloss schaut, sei der Baum in den schönsten Farben beleuchtet. "Das sind Momente, in denen ich mein Schloss wirklich genieße", sagt sie.
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