Bei 20 Grad Minus in der Gletscher-Prärie

Bei 20 Grad Minus in der Gletscher-Prärie

Ein Schneekatzenfahrer im Tag- und Nachtportrait

Wie verwaist die Skipisten nach 16.00 Uhr doch ruhen. Die Sessel- und Gondellifte ziehen ihre letzte Runde, der letzte Skifahrer ist bald im Tal, die meisten Skier sind bereits zum Trocknen aufgestellt. Der Pistenalltag geht jetzt aber erst richtig weiter.

Acht lange Winter zählt der 27-jährige Roland Nischler schon zu den Schneekatzenfahrern des Schnalstals. Er hat die landwirtschaftliche Fachschule abgeschlossen und wird, das weiß er bereits, in ein bis zwei Jahren die elterliche Landwirtschaft übernehmen. Auf dem Hof verbringt er auch die 5-6 Monate der Sommersaison. „Ich arbeite gerne mit meinen Händen und mache gern handwerkliche Dinge“, meint er, „und ich will unbedingt in Kontakt mit der freien Natur sein“. Auf dem Bauernhof groß geworden, habe er als Jugendlicher schon hie und da mit dem Traktor fahren dürfen. Der Sprung zur Schneekatze sei da nicht weit, will er damit sagen. „Mit Maschinen arbeiten, das hat mir immer schon getaugt!“

Man merkt ihm die Faszination an, wenn er von den über 60 Funktionen am Joystick im Schneekatzencockpit zu erzählen beginnt. Ein Schneekatzen-Führerschein wird in Italien nicht verlangt, hier entscheiden der Pistenbesitzer oder die Besitzervereinigung über die Fahrkompetenz der Schneekatzenfahrer. In berufsbegleitender Schulung wird das Personal dann hinsichtlich Arbeitssicherheit und rechtlichen Rahmenbedingungen weitergebildet. Sprich: Wer sich wo zu welcher Zeit aufhalten dürfe, wie mit dem Transport im Skibetrieb umgegangen wird und was Pistensicherheit in der ganz alltäglichen Praxis bedeutet.


Ein Leben im Takt von Sommer- und Wintersaison

Ein Saisonjob. Für einen kleinen Teil des Teams ist das Schneekatzenfahren jedoch ein Ganzjahresberuf. Die Sommerrevisionen der Planiermaschinen stehen natürlich in den heißen Monaten an. Außerdem werden Teile des Gletschers mit Planen abgedeckt, um der Gletscherschmelze etwas entgegenzuwirken, und zu Beginn der Wintersaison sind diese dann auch wieder zu entfernen.

Pistenwächter sein: so schön wie schiach

Ein Beruf, der aus Nischlers Mund mehr nach einer Berufung klingt. Die Arbeitszeiten sind herausfordernd, für Roland Nischler, der selbst stolzer Papa ist, genau richtig. Denn „manchmal sind wir schon um 21.00 Uhr fertig“ meint er, „das ist ein guter Tag.“ Die Kehrseite? „Es kann aber auch passieren, dass man um 3.00 Uhr morgens bei minus 23 Grad aussteigen und hinaus in den Wind stapfen muss, weil etwas kaputt gegangen ist.“ Schäden reparieren gehört nämlich ebenso zum Everyday-Business eines Schneekatzenfahrers. Da müsse man immer ordentlich angezogen sein und festes Schuhwerk dabeihaben, Überzugshosen für den Notfall und einen Skianzug. Er selbst habe immer eine große Teekanne mit und eine kleine Jause, denn Abendessen heißt hier „Dinner-in-der-Schneekatze“. „Manchmal sind wir 7-8 Stunden in der Maschine“, so Roland. „Ein bisschen wahnsinnig muss man dafür schon sein. Denn wir gehen dahin, wo keine Menschen mehr sind. Nachts, hinauf bis auf über 3000 Meter Meereshöhe.“

Das Gefühl für die Maschine und für den Schnee

Die Schneemaschinen sind vollhydraulisch, sprich: Sie werden durch Öldruck angetrieben. Geht der Fuß vom Gaspedal, dann bremst die Maschine ab. Auf Pedal zieht sie an und kann eine Zugkraft von sage und schreibe 400-530 Pferdestärken erreichen. Hat die Schneekatze zusätzlich eine Seilwinde an Bord, transportiert sie bis zu 1200 Meter Stahlseil mit sich. Statt Rädern gibt es Raupen. Bordeigene Schaufeln und eine Fräse ziehen die frischen Rillen in die Piste und arbeiten Schneebrocken zu Pulver auf. “Die Skifahrer arbeiten den Schnee talwärts, wir arbeiten ihn wieder aufwärts”, grinst Roland.

Roland erzählt von maschinellen Verschubarbeiten und von Löchern, die sich nicht in einem Arbeitsgang schließen lassen. Er spricht auch von Schnee, richtig viel Schnee, der nicht immer kompakt ist und neben den Skiern auch vom Wind verblasen wird. Jeder Pistenpräparateur müsse selbst einschätzen, ob er sich in einem Gebiet aufhalten kann oder ob ein Schneebrett auch einmal abgesprengt werden muss, zur Sicherheit.

Unsichtbar ist die Gefahr

“Wenn es besonders steil ist, dann sichern wir unsere Maschinen mit den Seilwinden. Denn wenn man die Kontrolle über das Fahrzeug verliert, kann es passieren, dass aus der 12.000 kg schweren Schneekatze ein richtig schwerer Schlitten wird”, erklärt Roland.
Das 11-Millimeter-Stahlseil, mit dem die Schneekatzen sich auch im großen Hanggefälle bewegen, sei meist ganz nahe am Boden.
“Das mit dem Stahlseil, das wissen die Skifahrer oft gar nicht. Die sehen uns noch in 100 Meter Entfernung und merken gar nicht, dass das Seil direkt neben ihnen gespannt ist und ausschlagen kann. So passieren oft Unfälle, wenn sich jemand nach den Schließungszeiten noch auf die Piste begibt”, warnt der Schneekatzenfahrer.

Ein durchwachsener Beruf

Jeder Fahrer sei in der Lage, jedwede Piste zu präparieren. Doch man habe so seine Lieblings-Teilabschnitte, die man besonders gut kennt. Da wisse man dann ungefähr, wohin der Schnee wandert und wo am Vortag die Verschubarbeiten passiert sind. “Über Funk ist das ganze Team miteinander verbunden. So weiß man zu jeder Zeit, wer wo steckt oder Hilfe braucht. Und die Abschlussrunde am Abend machen wir alle gemeinsam, bevor wir mit den Skiern runterfahren“, so Roland.

Die Reiter der Nacht – mit unzähligen Sternschnuppen im Geleit

Ob es nicht einsam sei, dort auf den Pisten in der Nacht? “Im Gegenteil”, meint Roland. Jeder Raupenfahrer habe ein Radio an Bord und seine ganz persönliche Playlist. “Die kennt man zu Saisonsende auswendig”, grinst er. Wer so viele Nächte abseits von Lichtersmog und Taltrubel erlebt, hat schon die spektakulärsten Lichterspiele am Himmel gesehen. Besonders schön seien die Momente, wenn dann jeder Pistenabschnitt makellos präpariert ist. Dann strahlt eine Ruhe in die Nacht. Ja, dann ist man der Perfektion sehr nah.

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