Lebe lieber ungewöhnlich
Lebe lieber ungewöhnlich
APRIL 2014, HELLI WEITHALER UND STEFFI MÖSSINGER, BAUERN AM PIRCHHOF IN PLAUS, WERDEN VON IHREM MILCHHOF ERNEUT MIT DEM PREIS FÜR DIE BESTEN MILCHLIEFERANTEN DES JAHRES AUSGEZEICHNET. HÄNDESCHÜTTELN, GRATULANTEN, GROSSES TRARA. NUR KURZE ZEIT SPÄTER ENTSCHEIDEN DIE BEIDEN, DIE MILCHPRODUKTION AUF IHREM HOF AUFZUGEBEN.

Vier Jahre danach stehen wir im leeren Kuhstall. „Die Entscheidung hat natürlich großes Unverständnis im Umfeld hervorgerufen“, lächelt Helli heute. Ein Südtiroler Bergbauernhof ohne Milchkühe – unvorstellbar, wie soll das gehen? „Tierwohl und Tiergesundheit stehen für uns an erster Stelle und darauf haben wir auch die Milchproduktion aufgebaut. So bekommt man dann auch super Milch, natürlich. Trotzdem konnten wir uns mit dieser Art der Landwirtschaft einfach nicht mehr identifizieren“, ergänzt Steffi, eine mundflinke Deutsche.
Den Bergbauernhof aufgeben kommt für das Paar aber nicht in Frage, vor allem für Helmuth nicht. Hier am Pirchhof sah er das Gras wachsen, hörte das Summen der Bienen, hier wuchs er auf. Ihm schaut die Gelassenheit aus den Augen und so lassen er und Steffi sich auch vom Gegenwind nicht beirren. Sie verkaufen die Milchkühe, und suchen nach alternativen Wirtschaftsmöglichkeiten für den Hof.


JUNGRINDER, MASTVIEH, HAFLINGERPFERDE; VIELLEICHT SCHAFE? IN EINER ZEITUNGSANZEIGE LESEN SIE ZUFÄLLIG VON LAMAS, BEIM ERSTEN
TREFFEN IST ES DANN SCHON UM SIE GESCHEHEN.

„Wir überlegten, neben den Lamas noch Nutztiere zu halten, haben uns dann aber bewusst dagegen entschieden und konzentrieren uns nur noch auf Lamas und Alpakas“, erklären die beiden auf dem Weg zur Weide. In der Beschränkung zeigt sich der Meister. 16 Lamas und zwei Alpakas leben aktuell im Familienverband auf dem Pirchhof. Erste Zuchtversuche 2016 sind sofort geglückt, das heißt bei Lamas harmonische Proportionen, schöne Bewollung, gerade Beine, elegante Erscheinung.
Ich schaue hinüber, die Lamas recken neugierig ihren Kopf und ich denke mir: Die sind doch alle schön.
„Tierwohl und Tiergesundheit stehen an erster Stelle.“
WIR SPAZIEREN DURCH DIE HERDE UND MAN MERKT: WENN HELLI UND STEFFI BEI DEN LAMAS SIND, SIND SIE GANZ BEI SICH. DAS WOHLERGEHEN DER TIERE UND EINE ARTGERECHTE HALTUNG HAT FÜR SIE OBERSTE PRIORITÄT.

So bleiben Fohlen am Pirchhof weit länger bei der Mutter, als es bei anderen Betrieben üblich ist. Die Tiere leben in einer bunt gemischten Herde, wo sich Stuten, Wallache und Alttiere die Erziehung der Fohlen teilen. So wachsen im Wesen stabile und starke Tiere heran. Das ist vor allem wesentlich für die Lama-Wanderungen,
die am Pirchhof mehrmals wöchentlich angeboten werden.
Der sanftmütige Charakter macht das Lama zum idealen Begleit- und auch Therapietier. Es reagiert wie ein Spiegel auf sein Gegenüber: Wahrt dieser Distanz, respektiert das das Lama. Will er aber führen, folgt das Tier bereitwillig. Die Nachfrage nach solchen Wanderungen ist hoch: „Da ist eine starke Sehnsucht in den Menschen, eine Sehnsucht nach Natur und Einfachheit und echten Erlebnissen.“ In einer Zeit, wo alles nur noch nach Instagram-Tauglichkeit abgeklopft wird, die Füße
vom Asphalt der Stadt schmerzen und jeder auf Montag flucht, sind solche Ausflüge eine Möglichkeit wieder aufzuglühen.
Helli drückt mir einen Halfter in die Hand, Lama Lucy macht vorsichtig einige Schritte auf mich zu, eine eigenartige Mischung von Neugierde und Distanz im Blick. Sie neigt den Kopf leicht seitlich, die Sonne scheint schrägt in ihr Gesicht und da!, die Augen schimmern tiefblau. Ich bin wie gebannt. Dieser Moment, wo dich ein Wesen aus einer anderen Welt anguckt. Wie eine Begegnung.
Und am Ende sind es doch immer die Begegnungen, die faszinieren.
„Und am Ende sind es doch immer die Begegnungen, die faszinieren.“
Die Lamas am Pirchhof in Plaus