Alp(en)traum Krampus
Alp(en)traum Krampus

Alp(en)traum Krampus

Wenn die Krampusse im Dezember durch die Dörfer fegen, fühlt man sich wie in einem Horrorfilm. Die uralte Tradition erlebt in Südtirol momentan einen Boom.

Die Spannung in der Luft war greifbar, jedes Geräusch ließ einen zusammenzucken. Der Abend des 5. Dezembers war in Naturns immer ein besonderer Abend – nach dem traditionellen Nikolausspiel wurden nämlich die Krampusse auf das Dorf losgelassen. Die dunklen Gestalten fegten mit ihren zu Fratzen erstarrten Masken, langen Hörnern, zotteligen Kostümen, rasselnden Ketten und warnenden Kuhglocken durch die Straßen und jagten vorzugsweise Kinder und Jugendliche. Wer am Abend also unbedingt unterwegs sein musste, machte sich über Umwege nach Hause. Die besonders Taffen wiederum trafen sich zum „Tuifeltratzen“ – man näherte sich den Krampussen bewusst, provozierte sie und danach kam es darauf an, wer schneller laufen konnte – Krampus oder Jugendlicher. Nicht selten endeten diese Mutproben für die jungen Leute mit einer Tracht Prügel und verrußten Gesichtern.

Bei den Krampussen handelt es sich um dämonische Gestalten aus der alpinen Folklore. Ihr Unwesen treiben sie traditionell in der Adventszeit als Begleiter des Nikolaus: Dieser belohnt die guten Kinder, während der Krampus, oder auch „Tuifl“ genannt, die bösen Kinder mit seiner Rute bestraft. Auch wenn die Tradition heute christlich angehaucht ist, ihren Ursprung haben die finsteren Gesellen wahrscheinlich schon in den vorchristlichen Winterbräuchen der Alpen und sie stellen vermutlich die Härte des Winters dar.
Der Krampus soll unartige Kinder bestrafen.
Während die Zahl der Krampusse bis vor einer Weile recht überschaubar war, erlebt die Tradition seit einigen Jahren ein Revival, die Gruppen haben regen Zulauf. Auch in Naturns: Der Krampusverein, der 2006 wiedergegründet wurde, zählt mittlerweile rund 70 Mitglieder. Dabei ist Krampus-Sein nicht unbedingt ein billiges Hobby, ein Kostüm kann schon mal 2.000 Euro kosten.

Hinter den furchteinflößenden Masken verstecken sich die freundlichen Gesichter junger Dorfbewohner und während die Tradition früher verlangte, dass nur männliche Junggesellen Krampus sein dürfen, verbergen sich hinter einigen Masken mittlerweile auch Frauen. Übrigens: Als während der Weltkriege die Männer zu den Gefechten eingezogen wurden, erledigten die Frauen in diesen Jahren nicht nur die Arbeit auf den Höfen, sondern schlüpften kurzerhand auch in die Krampuskostüme.
Krampus-Sein ist teuer: der Preis für ein Kostüm mit Fell und Maske kann sich auf mehrere Tausend Euro belaufen.
Auch wenn es am Krampusabend manchmal rau zugeht und man auch heute noch die ein oder andere Blessur mit nach Hause nimmt – die Krampusse dürfen sich nicht alles erlauben. Während die Krampusläufe einst tatsächlich oft ausarteten und man nicht wusste, wer einen da gerade verprügelt hat, ist der Brauch heute reglementierter: Aus dem wilden Durcheinander von damals wurde ein Schaulauf, der von der Gemeinde abgesegnet wird und somit ganz bestimmten Regeln unterliegt. Auch mit der Anonymität der Krampusse ist es mittlerweile vorbei: Jeder Krampus wird mit einer Nummer versehen und registriert. Das macht eine Nachverfolgung möglich.

Steht man heute an der Absperrung der Krampusläufe und kann das Spektakel aus sicherer Distanz beobachten, sind die Schauer jener Nächte, als die Krampusse noch frei durch Naturns tobten, nur noch eine vage Kindheitserinnerung. Und trotzdem: Sich gemeinsam überwinden, sich gemeinsam mit den Freunden den Krampussen zu stellen und das gemeinsame Wegrennen, brüllend vor Angst und Aufregung, machen aus dieser Horrornacht am Ende eine schöne Erinnerung an Momente der Gemeinschaft.
Folgt uns auf Social Media
Keine Einträge gefunden.
nextleft-arrowclose facebookinstagram liketalk