Simon Staffler
Sommerlier und Weinjournalist
Simon Staffler

Simon Staffler

Sommelier und Weinjournalist

Sommelier und Weinjournalist Simon Staffler, Jahrgang 1988, hat das, was man einen Traumberuf nennt: Als Falstaffs Italien-Korrespondent reist er von einem italienischen Weingut zum nächsten und verkostet und bewertet ihre Weine. Wir trafen den Meraner und sprachen mit ihm über Vinschger Querdenker, Rotwein aus dem Wasserglas und warum Südtiroler Weine in Italiens Metropolen der letzte Schrei sind.

Simon, du verbringst die meiste Zeit des Jahres in den verschiedensten italienischen Weinbaugebieten. Wodurch sticht die Weinregion Südtirol in der Weinnation Italien heraus?
Wein aus Südtirol gilt in Rom, Florenz oder Mailand im Moment als unheimlich sexy. Dafür verantwortlich sind zwei Dinge: die sehr hohe Qualität der Weine und fokussiertes, geniales Marketing der Vertreiber. Diese zwei Dinge gepaart sind eine Bombe, die jede Panzertür sprengt. Dazu kommen die Geschlossenheit und der Zusammenhalt der Südtiroler Winzer, die natürlich auch realistisch sind: Man muss bedenken, dass Südtirol als Weinbaugebiet verschwindend klein ist und Alleingänge ins Nichts führen würden. Als Beispiel: Die Cantina di Soave alleine produziert mehr Wein als alle Südtiroler Produzenten zusammen! Aber Südtirol hat seine Hausaufgaben gemacht. Wir können durchgehend höchste Qualität anbieten, gelten als hip und aufgrund der kleinen Fläche fast schon als Rarität. Andere italienische Weinbaugebiete schielen momentan also ganz neidisch auf Südtirol.

In den letzten Jahren hat sich der untere Vinschgau vom Geheimtipp zu einem ernstzunehmenden Weingebiet Südtirols etabliert. Für dich überraschend oder vorherzusehen?
Der Vinschgau profitiert auf alle Fälle von den zwei Aushängeschildern Franz Pratzner vom Weingut Falkenstein und Martin Aurich vom Weingut Unterortl. Sie haben das Gebiet mit ihren Topweinen erst auf die Landkarte katapultiert. Was sich übrigens viele Naturnser nicht im Klaren sind: Für sie ist Franz Pratzner der Winzer oder ein Bekannter – aber von der Mailänder Weinszene wird er angehimmelt wie ein kleiner Star! Zurück in den Vinschgau: Es ist ein junges Anbaugebiet, das auf alle Fälle Potenzial hat. Das Problem sehe ich eher darin, dass man als Gebiet auch eine kritische Menge an Wein produzieren muss, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und im Vinschgau sind die möglichen Weinbauflächen schon alleine der geografischen Lage wegen doch sehr begrenzt. Bauern und Winzer sind praktisch denkende Menschen, die überlegen sich zweimal, ob es sich lohnt, etwas in einem Steilhang anzubauen.

Was macht den Vinschgau als Weingebiet so besonders? Wie würdest du jemandem, der noch nie hier war, dieses Weinbaugebiet beschreiben?
Es ist auf alle Fälle ein sehr herausforderndes Anbaugebiet, das viel Können verlangt: die steilen Lagen, die Trockenheit, die spezielle Windsituation, die Bodenbeschaffenheit, um nur einige widrige Faktoren zu nennen. Die Weinbauparzellen sind sehr klein, es sind keine großen zusammenhängenden Anbauflächen wie in anderen Gebieten. In so einer Umgebung muss man wirklich aus Passion und Überzeugung Wein anbauen, das tut man sich sonst nicht an. Und für den Vinschgau gilt natürlich auch, was für andere Weinbaugebiete in Südtirol gilt: Extreme Wetterphänomene und Hagelschlag haben in den letzten Jahren vermehrt zugenommen und erschweren die Arbeit zusätzlich.

Man sagt den Vinschgern nach, sie seien Querdenker und Freigeister. Kann man das gleiche über die Vinschger Weinbauern sagen?
Die Vinschger sind sicherlich ein spezieller Menschenschlag, sehr eigensinnig und sie tun die Dinge gerne auf ihre eigene Art und Weise. Alleine schon die Tatsache, dass die Riesling-Pioniere Italiens aus dem Vinschgau kommen, spricht Bände. Was im Vinschgau auch auffällt, ist der verhältnismäßig große Anteil an den neuen pilzresistenten PiWiSorten. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Weinbau gerade im Vinschgau immer weiter in die Höhe steigt und diese neuen Sorten dafür gut geeignet sind. Zudem benötigen PiWi-Sorten wenige bis gar keine chemischen Einsatzmittel. Der Ausbau der PiWi-Weine ist allerdings recht knifflig, da sie ein extrem breites Geschmacksspektrum haben und kaum Wiedererkennungswert. Das heißt, drei Flaschen Solaris von drei verschiedenen Weingütern können drei komplett verschiedene Geschmäcker haben. Dieser Bereich wird bestimmt noch spannend.
„ Wir können durchgehend höchste Qualität anbieten, gelten als hip und aufgrund der kleinen Fläche fast schon als Rarität.“
Apropos PiWi-Weine. Auch in der Weinwelt gibt es immer wieder Trends: biodynamisch, vin naturel, vegane Weine. Welchen Eindruck bekommst du? Bedienen Winzer immer mehr Trends oder bieten sie solche Produkte aus Überzeugung an?
Es gibt solche und solche. Manche bedienen Moden und andere kümmern sich überhaupt nicht darum. Biodynamisch oder biologischer Anbau ist vielleicht wieder ein anderer Fall, aber letztendlich muss der Wein gut sein. Es hilft weder dem Konsumenten, noch dem Winzer, wenn hinten auf der Flasche biologisch steht, der Wein aber nicht trinkbar ist. Ich persönlich kann mit der Biodynamik viel anfangen und es ist auch interessant zu erleben, dass manche Winzer biodynamisch arbeiten, das aber kaum erwähnen, weil für sie primär der gute Wein im Mittelpunkt steht. Und dann gibt es wieder andere, die die Biodynamik umgekehrt als Aufhänger verwenden. Was man aber in der Weinwelt generell erkennen kann, ist eine Rückbesinnung auf Regionalität und Natürlichkeit.

Als ich ein Kind war, tranken viele zu Mittag ihr Glas Rotwein zum Essen, oft aus einem ganz normalen Wasserglas. Ist dieser Alltagsbezug, diese „Normalität“ zum Wein verloren gegangen, hin zum Wein als reines Genussmittel?
Absolut. Ich würde nicht mal sagen, dass es nur der Alltagsbezug ist, sondern teilweise sogar generell der Bezug. Wieso trinken bei uns junge Leute lieber einen Gin Tonic als eine Flasche guten Riesling oder Vernatsch? Viele haben, zu meinem totalen Unverständnis, Angst vor Wein. Wenn man im Restaurant mit seinen Freunden eine Flasche bestellt, schiebt jeder verlegen die Weinkarte weiter. Wieso? Entspannt euch, vertraut eurem Geschmack, Wein ist nicht kompliziert! Zwei andere Dinge spielen allerdings auch noch eine große Rolle, warum Wein heute nicht mehr so präsent ist wie vielleicht vor zehn oder 20 Jahren: die niedere Promille-Grenze in Italien und der Gesundheits-und Fitnesstrend. Wobei ich glaube, dass die unterdrückte Lust auf ein Glas Wein ungesünder ist als das Glas Wein einfach zu trinken und zu genießen.

Für meinen privaten Weinkeller daheim: Welche drei Südtiroler dürfen nicht fehlen?
Um einige junge, aufstrebende Weingüter zu nennen: Weingut Abraham, Weingut Bergmannhof und Weingut Pitzner.

Und dein Vinschger Favorit?
Weingut Falkenstein. Franz ist ein super Winzer, Magdalena eine würdige Nachfolgerin mit frischen Ideen und die Weine sind exzellent. Nicht nur bei den Aushängeschildern Riesling, Sauvignon oder Weißburgunder, auch beim Blauburgunder hat sich viel getan. Das Weingut hat insgesamt eine interessante Entwicklung hinter sich und ist trotz aller Erfolge immer am Boden geblieben.
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